„Das SARSCoV2-Virus betrifft nicht nur die Atemwege. Patientinnen und Patienten können sich auch mit einer neurologischen Erkrankung präsentieren, ein Teil davon als Schlaganfall. Dazu, wann das Virus einen Schlaganfall begünstigen und wie es die Prognose verschlechtern kann, gibt es bereits einige Daten“, so Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Serles, Präsident der Österreichischen Schlaganfallgesellschaft (ÖGSF).
Da die Zahl der COVID-19 positiven Patientinnen und Patienten in Österreich bis dato in absoluten Zahlen noch relativ gering war, können Aussagen über Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf das Schlaganfallgeschehen vor allem aus Ländern gewonnen werden, die 2020 weit stärker von der Pandemie betroffen waren.
„Studien in diesen Ländern zeigen, dass in Regionen mit hohen Fallzahlen zwischen 0,5 bis 3% der bei Krankenhausaufnahme COVID-19 positiv getesteten Personen auch einen Schlaganfall erlitten. Bezogen auf kritisch Kranke (Lungenbeteiligung, Behandlung auf einer Intensivstation) stieg dieser Wert nochmals signifikant auf bis zu 6% an. Bei stark steigenden Fallzahlen ist auch in Österreich mit einer nicht zu unterschätzenden Anzahl an Patientinnen und Patienten mit akuten Schlaganfallsymptomen bei COVID-19-Positivität zu rechnen“, so Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Serles.
Ob sich die Häufigkeit des akuten Schlaganfalls an sich im Rahmen der Pandemie geändert hat ist allerdings unklar. Einen Hinweis für eine ursächliche Zunahme von Schlaganfällen durch das Virus ergibt sich insbesondere durch das Auftreten von schweren Schlaganfällen bei jungen Patientinnen und Patienten ohne das Vorhandensein von Risikofaktoren (wie Bluthochdruck, Diabetes oder hohes Cholesterin). Dafür sollen prothrombotische Mechanismen („Bluteindickung“) im Rahmen der SARSCoV-2-Infektion verantwortlich sein. Ob dies jedoch eine spezifische Wirkung des Virus, oder eine Folge der Entzündungsvorgänge im Rahmen der Virusinfektion ist, müssen weitere Studien erst zeigen. „Generell gelten Infektionen als Trigger für ischämische Schlaganfälle. Dies könnte erklären, warum Patientinnen und Patienten mit vorbestehenden vaskulären Risikofaktoren auch bei einer SARSCoV-2-Infektion eher einen Schlaganfall erleiden. Studien zeigen aber insbesondere eine schlechtere Prognose und eine massiv erhöhte Sterblichkeit bei älteren Schlaganfallpatientinnen und Schlaganfallpatienten mit vielen Begleiterkrankungen und kritisch Kranken (z.B. bei Lungenbeteiligung) mit einer SARSCoV-2-Infektion“, so Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Serles.
Time is Brain: Hat die Pandemie Auswirkungen auf die Schlaganfallversorgung? Keine Angst vor dem Krankenhaus!
„Der Schlaganfall ist weltweit die zweithäufigste Todesursache und eine der häufigsten Ursachen von Behinderung. Es könnte tatsächlich jeder zweite Schlaganfall verhindert werden mit einer adäquaten Behandlung der fünf häufigsten Risikofaktoren: Bluthochdruck, erhöhte Fettwerte, Vorhofflimmern, Rauchen und Übergewicht“, so Univ.-Doz. Dr. Julia Ferrari, von der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie (ÖGN) und der ÖGSF.
Bei der Akutbehandlung des Schlaganfalls zählt jede Minute – je schneller eine Therapie (Thrombolyse und/oder Thrombektomie wenn indiziert) begonnen wird, desto mehr Behinderung kann vermieden werden. Erfreulich ist die Veränderung über die Zeit: Als die Therapie der Thrombolyse vor vielen Jahren zugelassen wurde, mussten 16 Patientinnen und Patienten behandelt werden, damit einer von der Therapie profitierte, mittlerweile beträgt diese Zahl 3!
Eine Stroke Unit kann nicht nur Leben retten, sondern auch Behinderung deutlich reduzieren. Österreich befindet sich bei der Schlaganfall-Akutversorgung im internationalen Spitzenfeld, das Wichtigste ist allerdings, dass Patientinnen und Patienten mit Schlaganfallsymptomen ohne Verzögerung mit dem Rettungstransport auf eine Stroke Unit gebracht werden. Bei bis zu 15% kommt es noch zu Verzögerungen, da das Eintreffen im Akutversorgungszentrum erst über Sekundärtransporte erfolgt, dies sollte, soweit möglich, verhindert werden.
Österreich hat erfreulicherweise eine sehr hohe Thrombolyserate (ca. 18%), auch die Rate der mechanischen Thrombektomie beträgt beachtliche 4%.
„Sehr wichtig ist aber auch eine adäquate Sekundärprävention und eine strukturierte Nachsorge. Eine aktuell veröffentlichte Innsbrucker und Wiener Studie (Stroke Card) zeigt, dass klinisch relevante kardio- und zerebrovaskuläre Rezidiv-Ereignisse durch eine einmalige ambulante Nachkontrolle nach 3 Monaten um 1/3 gesenkt werden können. Dabei konnte durch die Erfassung und Behandlung von Risikofaktoren und Komplikationen das Outcome und somit auch die Lebensqualität dieser Patientinnen und Patienten verbessert werden“, so Univ.-Doz. Dr. Julia Ferrari.
Bezüglich der Häufigkeit von mechanischen Thrombektomien im Vergleich zum Vorjahr gibt es regional große Unterschiede. In vielen Ländern kam es nach dem Lock-Down zu einer geringeren Gesamtzahl an intravenösen Lysen und mechanischen Thrombektomien aufgrund der selteneren Aktivierung von Notrufen. Dies könnte vor allem bei leichteren Schlaganfällen und transitorischen ischämischen Attacken (TIAs) mit der Angst, im Krankenhaus an COVID zu erkranken, verbunden gewesen sein. „Analysen aus internationalen Thrombektomie-Registern zeigen, dass es während der Pandemie zu Verzögerungen in der Behandlung, z. B. durch eine Verlängerung der Intubationszeit von Patientinnen und Patienten mit noch ausständigen PCR-Tests, gekommen ist, was mit einem schlechteren klinischen Ergebnis verbunden war. Das Ziel muss daher sein, dass Patientinnen und Patienten mit Symptomen eines Schlaganfalls bzw. deren Angehörige auch in Pandemiezeiten so früh wie möglich die Rettung verständigen“, so Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Serles.
„Gerade während der Covid-19-Pandemie zeigt sich wie wichtig ein stabiles Gesundheitssystem ist. Im Vergleich zu vielen Ländern hat Österreich weit weniger Covid-19 bedingte Todesfälle zu beklagen. Die Stabilität des Gesundheitssystems beweist sich auch dadurch, dass die Versorgung neurologischer Patientinnen und Patienten auch in der bedrohlichen Situation der Pandemie unverändert hochqualitativ, professionell und effektiv ist. Die über die letzten Jahre konsequente Etablierung von „Stroke Units“ an jeder neurologischen Akutabteilung bzw. von sogenannten „Comprehensive Stroke Centers“ (= 24/7 Verfügbarkeit der neurologischen Schlaganfallversorgung gemeinsam mit Interventioneller [Neuro–] Radiologie, Neurochirurgie, Gefäßchirurgie und anderen) an Neurologischen Abteilungen von Schwerpunkt- und Zentralkrankenhäusern macht sich gerade in Zeiten mit schwierigen äußeren Umständen zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten bezahlt. Obwohl Österreich in diesem Sinne zu den führenden Nationen zählt, heißt das aber nicht, dass es nicht noch Optimierungspotenzial gibt. Wir müssen noch besser in den Zeitabläufen werden, müssen die bestmögliche Versorgung an Neurologischen Abteilungen weiter verbessern, beispielsweise durch die flächendeckende Bereitstellung neurointensivmedizinischer Kapazitäten, und müssen auch weiterhin an noch reibungsloseren Abläufen in unserem grundsätzlich ausgezeichneten interdisziplinären Zusammenarbeiten arbeiten. Darüber hinaus sieht die ÖGN eine Ihrer Aufgaben darin, gemeinsam mit der ÖGSF die Awareness und das Wissen zum Schlaganfall in der Bevölkerung, aber auch bei den Primärversorgern zu steigern. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass die bestmögliche akute Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall Leben rettet und das Risiko von Folgeschäden mindert, dass aber auch die Nachsorge, inklusive präventiver Maßnahmen, und (neurorehabilitative) Nachbehandlung bestmöglich sein muss, um entstandene Beeinträchtigungen konsequent zu verbessern, Arbeitsfähigkeit zu erhalten und insgesamt die Lebensqualität von ursprünglich Betroffenen zu sichern. Denn gerade auch dieser Bereich hat noch deutliches Verbesserungspotenzial“, so der Präsident der ÖGN, Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger abschließend.
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